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Die Abgrenzung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis - Möglichkeiten zur Aufteilung des Nachlasses

Die Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis und die Unterschiede zwischen diesen beiden erbrechtlichen Instituten sind von nicht unerheblicher Bedeutung. Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis beinhalten jeweils die Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände an bestimmte Erben. Unterschiede ergeben sich jedoch bei der Anrechnung der Nachlassgegenstände auf die Erbteile der Erben und bei den Gestaltungsmöglichkeiten für den jeweils bedachten Erben.

Abgrenzung Teilungsanordnung Und Vorausvermächtnis
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In diesem Beitrag soll dargestellt werden, worum es sich bei der Teilungsanordnung und dem Vorausvermächtnis handelt, worin die Unterschiede bestehen und warum sowohl die Teilungsanordnung als auch das Vorausvermächtnis dazu beitragen können, Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft zu vermeiden.

Übersicht:

  1. Warum sind Erbengemeinschaften und nicht eindeutige Testamente problematisch?
  2. Was ist eine Teilungsanordnung im Erbrecht?
  3. Ist eine Teilungsanordnung verbindlich?
  4. Was ist ein Vorausvermächtnis?
  5. Kann ein Haus ein Vorausvermächtnis sein?
  6. Wie wirkt sich ein Vorausvermächtnis auf den Pflichtteil aus?
  7. Wann liegt ein Vorausvermächtnis vor?
  8. Was ist der Unterschied zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis?
  9. Fazit
  10. FAQ

1. Warum sind Erbengemeinschaften und nicht eindeutige Testamente problematisch?

Die beiden erbrechtlichen Institute der Teilungsanordnung und des Vorausvermächtnisses stehen in engem Zusammenhang mit den Problemen, die sich aus unklaren Testamenten und Erbengemeinschaften bei der Verteilung des Nachlasses ergeben.

Erbengemeinschaften können unabhängig davon entstehen, ob der künftige Erblasser ein Testament mit mehreren Erben errichtet oder ob der Erblasser kein Testament errichtet, aber mehrere Personen als gesetzliche Erben in den Nachlass eintreten. In beiden Fällen entsteht eine Erbengemeinschaft.

Erbengemeinschaften und das Problem der Auseinandersetzung

Bei Erbengemeinschaften können die Erben im Grundsatz nur gemeinsam handeln. Deswegen sollte es regelmäßig das Ziel sein, eine Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen.  

Erbauseinandersetzung bedeutet, dass der Nachlass unter den Erben der Erbengemeinschaft aufgeteilt wird. Für diese Aufteilung des Nachlasses muss Einigkeit unter den Erben bestehen. Besteht keine Einigkeit über die Verteilung des Nachlasses, was häufig der Fall ist, kommt es in der Regel zu jahrelangen Streitigkeiten zwischen den Miterben.

Gerade im Hinblick auf die im Nachlass befindlichen Immobilien bedeutet ein solcher Streit einen Stillstand, der in den meisten Fällen für den Zustand der Immobilie nicht förderlich ist und zu einer Verschlechterung des Zustandes der Immobilie führen kann.

Streit Erbengemeinschaft

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Unklares Testament

Ein Testament mit klaren Regelungen zur Verteilung des Nachlasses hilft, Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft zu vermeiden. Es erleichtert die Auseinandersetzung des Nachlasses. 

Denn sonst streiten sich die Erben häufig darüber, zu welchem Preis eine Immobilie verkauft werden soll oder die Erben streiten sich schon im Vorfeld, welcher Makler beauftragt werden soll. All das erschwert und verzögert die Auseinandersetzung.

Die Auseinandersetzung der Immobilien, d.h. die Übertragung auf einzelne Erben, wird durch  eindeutige Vorgaben im Testament erleichtert.

Viele privatschriftliche Testamente, die nicht mit Hilfe eines auf Erbrecht spezialisierten Anwalts oder eines Notars erstellt werden, enthalten Regelungen, die einzelne Nachlassgegenstände rein gegenständlich verteilen. Dies sagt jedoch meist nichts oder wenig über die Erbquoten bzw. den Anteil der einzelnen Erben am Nachlass aus.

Testamentsauslegung

Derartige Verfügungen sind häufig auslegungsbedürftig. Mehr zum Thema Testamentsauslegung erfahren Sie in diesem Beitrag.

Unterschiedliche Nachlassgegenstände können auch unterschiedliche finanzielle Werte haben und so zu Streitigkeiten zwischen den Erben führen. Die Wertunterschiede können bei Teilungsanordnungen zu einem Ausgleichsanspruch zwischen den Erben führen, wenn der Wert des zugewandten Nachlassgegenstandes nicht den Erbquoten entspricht.

Durch eine klare Unterscheidung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis in einem Testament können solche Streitigkeiten über den Wertausgleich vermieden werden. Denn bei einem Vorausvermächtnis gibt es keinen Wertausgleich.

2. Was ist eine Teilungsanordnung im Erbrecht?

Die Teilungsanordnung ist eine letztwillige Verfügung in einem Testament. Durch sie weist der Erblasser einzelne Nachlassgegenstände bestimmten Erben zu. Die Teilungsanordnung bezieht sich lediglich auf die Erbauseinandersetzung.

Die durch die Teilungsanordnung zugewiesenen Nachlassgegenstände werden auf den Erbteil angerechnet. Die Teilungsanordnung lässt also die Höhe des Erbteils unberührt und führt nicht zu einer Wertverschiebung.

Übersteigt der Wert des zugewiesenen Nachlassgegenstandes den Erbteil, so hat der Erbe den anderen Miterben theoretisch den über den Erbteil hinausgehenden Wert auszugleichen. Im Ergebnis kann das dazu führen, dass ein Erbe den Ausgleich aus seinem Privatvermögen leisten muss.

Beispiel

3. Ist eine Teilungsanordnung verbindlich?

Die Erben sind grundsätzlich an die Teilungsanordnung des Erblassers gebunden. Die Miterben können sich jedoch im Einvernehmen über die Teilungsanordnung hinwegsetzen. So sind mit Zustimmung der Erben auch dem Testament widersprechende Verfügungen möglich.

Die Übertragung des einzelnen Nachlassgegenstands erfolgt im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Dazu ist bei Immobilien im Regelfall  die notarielle Form erforderlich.

4. Was ist ein Vorausvermächtnis?

Ordnet der Erblasser in seinem Testament ein Vermächtnis an, so haben die Erben das Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer vor der Auseinandersetzung des Nachlasses herauszugeben. Der Vermächtnisnehmer hat einen Anspruch gegen den oder die Erben auf Übertragung des Grundstücks. Diese Übertragung erfolgt vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.

Der Begünstigte eines einfachen Vermächtnisses wird durch das Vermächtnis nicht Erbe. Ein Vermächtnis kann aber auch einem Erben zugewendet werden.

Bei einem Vorausvermächtnis erhält ein Erbe neben seinem Erbteil weitere Nachlassgegenstände, die der Erblasser dem Erben vermacht. Der Erbe erhält also zusätzlich zu seinem Erbteil das Vorausvermächtnis. Eine Anrechnung auf seinen Erbteil findet nicht statt. Das Vorausvermächtnis ist dem bedachten Erben wie jedem Vermächtnisnehmer vor der Auseinandersetzung auszuhändigen.

Der Erbe, der einen Nachlassgegenstand als Vorausvermächtnis erhält, ist jedoch nicht verpflichtet, diesen Gegenstand anzunehmen. Das Vorausvermächtnis kann auch ausgeschlagen werden. Diese Ausschlagung ist unabhängig von dem Erbteil, den der Erbe erhält.

5. Kann ein Haus ein Vorausvermächtnis sein?

Jeder Nachlassgegenstand kann ein Vorausvermächtnis sein. Dabei kann es sich um ein Gemälde, eine Münzsammlung, ein Wertpapierdepot, ein Auto oder ein Haus handeln. Der Erblasser als Vermächtnisgeber kann jedoch die Errichtung eines Vermächtnisses mit einer bestimmten Verpflichtung verbinden, z.B. mit der Pflege seines Grabes.

6. Wie wirkt sich ein Vorausvermächtnis auf den Pflichtteil aus?

Ein Vorausvermächtnis zugunsten eines Erben hat keine Auswirkungen auf seinen Pflichtteil. Da das Vorausvermächtnis weder auf den Erbteil noch auf den Pflichtteil angerechnet wird, erhält der Erbe das Vorausvermächtnis zusätzlich zu seinem Pflichtteil.

Anders verhält es sich, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe (z.B. ein Kind des Erblassers) enterbt wurde und dem Kind ein einfaches Vermächtnis zugewendet wird. In diesem Fall wird der Wert des einfachen Vermächtnisses auf den Pflichtteil angerechnet.

7. Wann liegt ein Vorausvermächtnis in Abgrenzung zur Teilungsanordnung vor?

Bestimmt der Erblasser in einem Testament, dass bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass einem Erben zugewendet werden sollen, so ist oft nicht klar, ob es sich dabei um eine Teilungsanordnung oder um ein Vorausvermächtnis handelt. Insbesondere privatschriftliche Testamente sind in dieser Hinsicht häufig nicht so eindeutig formuliert, dass der wirkliche Wille des Erblassers unmittelbar erkennbar ist. In diesen Fällen ist meist die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers im Wege der Auslegung erforderlich.

Das Kriterium für die Abgrenzung zwischen einer Teilungsanordnung und einem Vorausvermächtnis ist der Begünstigungswille des Erblassers. Ein Vorausvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser den Erben mit einem Nachlassgegenstand erkennbar über dessen Erbteil hinaus finanziell begünstigen will. Auch durch Auflagen des Erblassers an den begünstigten Erben, wie z.B. die Grabpflege, kann dieser Wille zum Ausdruck kommen.

Ein relativ klarer Begünstigungswille in der Formulierung ist z.B. gegeben, wenn der Erblasser einem Erben einen Nachlassgegenstand "ohne Anrechnung auf den Erbteil" zuwendet.

8. Was ist der Unterschied zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis?

Will der Erblasser bestimmte Nachlassgegenstände bestimmten Erben zukommen lassen, hat er zwei Möglichkeiten: die Teilungsanordnung und das Vorausvermächtnis. Während bei der Teilungsanordnung der Wert des Nachlassgegenstandes auf den Erbteil angerechnet wird, erhält der Erbe beim Vorausvermächtnis den Nachlassgegenstand zusätzlich zu seinem Erbteil. Daher entstehen beim Vorausvermächtnis keine Ausgleichsansprüche zwischen den Erben, wie dies bei der Teilungsanordnung der Fall sein kann.

Der dem Erben zustehende Nachlassgegenstand kann erst mit der Erbauseinandersetzung erlangt werden. Der dem Erben durch Vorausvermächtnis zugedachte Nachlassgegenstand kann bereits vor der Erbauseinandersetzung herausverlangt werden.

Will der Erbe den ihm im Wege der Teilungsanordnung zugedachten Nachlassgegenstand nicht erhalten, so bleibt ihm im Rahmen der Teilungsanordnung nur die Möglichkeit, die Erbschaft insgesamt auszuschlagen. Bei einem Vorausvermächtnis kann der Erbe auch nur das Vorausvermächtnis ausschlagen. Diese Ausschlagung hat keine Auswirkung auf seine Stellung als Erbe. Der Erbe hat beim Vorausvermächtnis daher mehr Handlungsmöglichkeiten.

9. Fazit

  • Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis: Die Unterscheidung zwischen diesen beiden erbrechtlichen Instrumenten ist wichtig. Während beide die Zuweisung von Nachlassgegenständen regeln, unterscheiden sie sich in der Anrechnung auf die Erbteile und in den Gestaltungsmöglichkeiten der begünstigten Erben.
  • Problematik der Erbengemeinschaften: Unklare Testamente und Erbengemeinschaften führen häufig zu Streitigkeiten bei der Verteilung des Nachlasses. Erbengemeinschaften führen insbesondere dann zu Streitigkeiten, wenn über die Verteilung keine Einigkeit besteht. Durch den gezielten Einsatz von Teilungsanordnungen und Vorausvermächtnissen können Streitigkeiten vermieden werden.
  • Teilungsanordnung: Durch die Teilungsanordnung werden bestimmte Nachlassgegenstände bestimmten Erben zugewiesen, jedoch auf den Erbteil angerechnet. Grundsätzlich sind die Erben an die Teilungsanordnung gebunden, es sei denn, die Erben weichen einvernehmlich davon ab.
  • Vorausvermächtnis: Hierbei erhält ein Erbe zusätzlich zu seinem Erbteil bestimmte Nachlassgegenstände, ohne dass diese auf seinen Erbteil angerechnet werden. Der Erbe kann das Vorausvermächtnis ausschlagen, ohne dass dies Auswirkungen auf die Erbschaft hat.
  • Abgrenzung und Wirkungen: Die Unterschiede zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis betreffen die Anrechnung auf den Erbteil, die Handlungsmöglichkeiten des Erben und den Zeitpunkt des Zugriffs auf die zugewandten Nachlassgegenstände. Beim Vorausvermächtnis liegt in der Regel ein Begünstigungswille des Erblassers gegenüber dem begünstigten Erben vor, der bei der Teilungsanordnung fehlt.

10. FAQ

Was ist der Unterschied zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis?

Die Teilungsanordnung weist einzelnen Erben Nachlassgegenstände zu, die auf ihren Erbteil angerechnet werden. Beim Vorausvermächtnis erhält der Erbe bestimmte Gegenstände zusätzlich zu seinem Erbteil, ohne dass diese auf seinen Erbteil angerechnet werden.

Warum sind unklare Testamente problematisch?

Unklare Testamente können zu Auslegungsfragen führen, insbesondere bei der Verteilung von Nachlassgegenständen, was zu Streitigkeiten zwischen den Erben über die Verteilung des Nachlasses führen kann.

Können Teilungsanordnungen und Vorausvermächtnisse Streitigkeiten in Erbengemeinschaften vorbeugen?

Klar formulierte Testamente, die zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis unterscheiden, können Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft verhindern oder zumindest reduzieren, da sie die Erbauseinandersetzung nach dem Willen des Erblassers beinhalten.

Wie bindend sind Teilungsanordnungen für die Erben?

Die Erben sind grundsätzlich an die Teilungsanordnung gebunden, es sei denn, die Erben vereinbaren einvernehmlich, von der Teilungsanordnung abzuweichen.

Was geschieht, wenn ein Erbe das Vorausvermächtnis ausschlägt?

Ein Erbe kann ein Vorausvermächtnis ausschlagen, ohne dass dies Auswirkungen auf seine Erbenstellung hat. 

Wie kann ein Erblasser zwischen einer Teilungsanordnung und einem Vorausvermächtnis unterscheiden?

Ein Vorausvermächtnis liegt meist dann vor, wenn der Erblasser dem Erben einen über seinen Erbteil hinausgehenden Vermögenswert ohne Anrechnung auf den Erbteil zukommen lassen will. Dies kann z.B. mit einer Auflage verbunden sein. Bei der Teilungsanordnung fehlt dieser Begünstigungswille.

Kann der Erbe wählen, ob er das Vorausvermächtnis annimmt?

Ja, der Erbe kann das Vorausvermächtnis ausschlagen, ohne dass dies Auswirkungen auf den übrigen Erbteil hat. Die durch Teilungsanordnung zugewiesenen Nachlassgegenstände kann der Erbe nur im Falle der Ausschlagung der Erbschaft insgesamt ausschlagen.

Bildquellennachweis: © Canva | Proxima Studio

Torsten Fritz
Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht mit 15 Jahren Berufserfahrung. Fachanwalt für Erbrecht seit 2010. Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT).
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