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Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch sind Begriffe des Erbrechts, die begrifflich mit der Enterbung in Zusammenhang stehen. Der Pflichtteil richtet sich nach dem vorhandenen Nachlass.
Zwar kann ein künftiger Erblasser über sein Vermögen und seinen künftigen Nachlass frei verfügen und damit tun und lassen, was er will. Dazu gehört auch, dass er seinen Nachlass nicht an seine Angehörigen vererben, sondern an andere Personen zu Lebzeiten verschenken will.
Es gibt jedoch sehr nahe Angehörige, die trotz einer testamentarischen Enterbung Anspruch auf eine Mindestteilhabe am Nachlass des Erblassers haben. Verschenkt der künftige Erblasser sein Vermögen ganz oder teilweise, um die Pflichtteilsansprüche seiner nahen Angehörigen zu minimieren, steht den Pflichtteilsberechtigten aus diesen Schenkungen ein Ergänzungsanspruch zu, der Pflichteilsergänzungsanspruch.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Dr. Torsten Fritz informiert in diesem Beitrag über den Pflichtteil, wann Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben und was es mit dem Zusatzpflichtteil auf sich hat.
Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern, tiefgreifende Zerwürfnisse oder fehlender Kontakt kommen in den besten Familien vor. Die Eltern als künftige Erblasser haben oft den Wunsch, Kinder, zu denen kein Kontakt oder kein gutes Verhältnis besteht, vom Nachlass auszuschließen.
Grundsätzlich ist es auch möglich, seine Kinder oder eines seiner Kinder in einem Testament zu enterben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die enterbten Kinder im Erbfall nichts vom Nachlass erhalten.
In Deutschland kann jeder frei entscheiden, wem er etwas vererbt. Es besteht Testierfreiheit. Entscheidet man sich gegen eine letztwillige Verfügung, wie z.B. ein Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Die Testierfreiheit wird jedoch durch das Pflichtteilsrecht eingeschränkt. Sehr nahe Angehörige, die im Gesetz definiert sind, erhalten auch dann, wenn der Erblasser sie ausdrücklich vom Erbe ausschließt, also enterbt, immer eine Mindestbeteiligung am Nachlass – dies nennt man Pflichtteil.
Wird ein pflichtteilsberechtigter Angehöriger vom Erblasser ausdrücklich von der Erbschaft ausgeschlossen, so wird er nicht Erbe, erhält aber von den eingesetzten Erben seine gesetzliche Mindestbeteiligung am Nachlass. Das ist eine Geldforderung gegen die Erben.
Der Pflichtteil als Mindestbeteiligung am Nachlass steht nur ganz bestimmten sehr nahen Angehörigen des Erblassers zu. Dies sind nach § 2303 BGB die Kinder des Erblassers sowie deren Abkömmlinge (z.B. Enkel des Erblassers), die noch lebenden Eltern des Erblassers und der Ehe- oder Lebenspartner des Erblassers. Hat der Erblasser selbst Kinder (Erben erster Ordnung), ist der Pflichtteilsanspruch der Eltern des Erblassers ausgeschlossen (§ 1930 BGB).
Ist der Erblasser kinderlos und sind seine Eltern bereits verstorben, wären die nächsten Verwandten, die nach der gesetzlichen Erbfolge erben würden, die Geschwister des Erblassers. Diese sind jedoch nicht pflichtteilsberechtigt, so dass die Geschwister testamentarisch vollständig enterbt werden können.
Der Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei der Berechnung des Erbteils wird so getan, als ob kein Testament vorhanden wäre, und berechnet, wie hoch der Erbteil der Angehörigen nach der gesetzlichen Erbfolge wäre. Davon beträgt der Pflichtteil die Hälfte. Die konkrete Höhe des Pflichtteils hängt davon ab, welche und wie viele Angehörige nach der gesetzlichen Erbfolge erben würden. Entscheidend ist auch, in welchem ehelichen Güterstand der Erblasser lebte. Denn danach bestimmt sich die Erbquote.
Ein Beispiel: Die verwitwete Erblasserin E hat 4 Kinder. Der Sohn A wurde von der Erblasserin E testamentarisch enterbt. Die übrigen drei Kinder sollen nach dem Willen der Erblasserin E gemeinsam erben, also jeweils 33 % des Nachlasses erben. Gäbe es kein Testament, würden alle 4 Kinder den gleichen Erbteil von je 25% nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erhalten. Der Pflichtteil des enterbten Sohnes A beträgt die Hälfte davon, also 12,5 %.
Hätte die Erblasserin E nur zwei Kinder und eines davon testamentarisch enterbt, würden beide Kinder ohne Testament jeweils 50% des Nachlasses erhalten. Durch die Enterbung würde der enterbte Sohn wieder die Hälfte des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil erhalten, also 25%.
In einem sog. Berliner Testament setzen sich die Ehegatten/Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben ein. Der länger lebende Ehepartner erbt dann alles. Die gemeinsamen Kinder werden beim Tod des ersten Ehepartners/Elternteils enterbt und gehen leer aus. Dies soll dem längerlebenden Ehepartner eine gewisse finanzielle Sicherheit geben. Anschließend sollen die Kinder nach dem Letztlebenden erben.
Besteht das Vermögen eines Ehepaares z.B. zum größten Teil aus einer selbstbewohnten Immobilie, wäre es für den überlebenden Ehepartner kaum möglich, das Erbe an die Kinder auszuzahlen, ohne z.B. einen Kredit auf das Haus aufzunehmen. Verzichten die Kinder im ersten Erbfall auf ihren Pflichtteil, so werden sie im zweiten Erbfall Schlusserben und erben den gesamten Nachlass.
Um die Intention des von den Eltern errichteten Berliner Testaments abzusichern, werden Berliner Testamente in der Regel mit sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln versehen. Diese besagen, dass ein Kind, wenn es im ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht, auch für den zweiten Erbfall enterbt wird und nur den Pflichtteil erhält. Rechtlich steht den Kindern aber auch im ersten Erbfall der Pflichtteil zu.
Der Zusatzpflichtteil betrifft Fälle, in denen die Pflichtteilsberechtigten zwar nicht enterbt werden, aber ihr testamentarischer Erbteil gering ist. Ist der Erbteil geringer als der Pflichtteil, kann zusätzlich zum Erbteil ein Zusatzpflichtteil verlangt werden.
Dazu ein Beispiel: Die Erblasserin E hat 2 Kinder und einen Nachlass von 300.000 Euro. Dem Sohn vererbt die Erblasserin ein Haus im Wert von 250.000 Euro. Die Tochter erhält die restlichen 50.000 Euro Barvermögen. Der Pflichtteil der Tochter würde die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils betragen. Nach der gesetzlichen Erbfolge würde die Tochter 150.000 Euro erben; ihr Pflichtteil würde 75.000 Euro betragen.
Da die Tochter nur 50.000 Euro erhalten soll, hätte sie einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil von 25.000 Euro.
Auch ein Erbe kann also Anspruch auf einen Pflichtteil haben!
Als künftiger Erblasser könnte man auf die Idee kommen, sein Vermögen aufzubrauchen und Geld zu verschenken, um den späteren Nachlass möglichst gering zu halten. Dies hätte auch zur Folge, dass z.B. der Pflichtteil eines enterbten Kindes geringer ausfällt oder gar kein Nachlass mehr vorhanden ist. Grundsätzlich kann auch der künftige Erblasser mit seinem Vermögen nach Belieben verfahren. Ein zukünftige Erblasser kann also sein Vermögen verbrauchen, ohne dass es Auswirkungen auf den Pflichtteil hat
Anders ist es bei Schenkungen, d. h. Zuwendungen für die der Erblasser keine Gegenleistung erhält.
Hier sieht das BGB den sogenannten Ergänzungspflichtteil bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch vor. Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten an Dritte sind unter den Voraussetzungen des § 2325 BGB bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen.
Dies gilt für einen Zeitraum von 10 Jahren vor dem Tod des Erblassers. Ausgenommen sind so genannte Anstandsschenkungen oder Pflichtschenkungen. Dies sind z.B. Geschenke zur Hochzeit oder zum bestandenen Examen.
Es gilt dabei das Abschmelzmodell. Das heißt, je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger wird der Wert der Schenkung fiktiv dem Nachlasswert hinzugerechnet. Im Jahr vor dem Erbfall werden 100% der Schenkung berücksichtigt, bis zu zwei Jahren vor dem Erbfall 90%, bis zu drei Jahren 80% usw. Liegen zwischen der Schenkung und dem Erbfall 9 bis 10 Jahre, sind nur noch 10 % dem Nachlass hinzuzurechnen.
Den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB können nur die pflichtteilsberechtigten Angehörigen des Erblassers geltend machen, also der Ehepartner/Lebenspartner, die Kinder und deren Abkömmlinge oder, wenn es keine Abkömmlinge gibt, die Eltern des Erblassers.
Außerdem müssen die Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich durch letztwillige Verfügung enterbt worden sein.
Wurde ein Pflichtteilsberechtigter nicht enterbt, steht ihm aber der Zusatzpflichtteil zu, so kann er auch den Ergänzungspflichtteil geltend machen (§ 2326 BGB).
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