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Besonderer Kündigungsschutz: Die 5 top Fragen und Antworten

Besonderer Kündigungsschutz existiert in Deutschland in unterschiedlicher Ausprägung und für unterschiedliche Personengruppen. Sinn und Zweck des besonderen Kündigungsschutzes ist, Arbeitnehmer in besonders schutzwürdigen Situationen vor einer arbeitgeberseitigen Kündigung zu bewahren bzw. die Kündigung für den Arbeitgeber zu erschweren.

Der besondere Kündigungsschutz kann aufgrund von gesundheitlichen Situationen, der Ausübung von besonderen beruflichen Positionen, dem Schutz bestimmter Organe und deren Handlungsfähigkeit oder der sozialen Situation existieren.

Eine Kündigung von Personen, für die besonderer Kündigungsschutz besteht, ist meist nur erschwert, aber nicht völlig unmöglich. Bei z.B. schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverstößen kann eine außerordentliche Kündigung unter strengen Voraussetzungen – je nach Ausprägung des besonderen Kündigungsschutzes – erwirkt werden.

Trotz des besonderen Kündigungsschutzes können Arbeitnehmer jedoch ohne Einschränkung ihr Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden oder einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen.

Übersicht:

  1. Welche Arten von Kündigungsschutz gibt es?
  2. Für welche Arbeitnehmer besteht besonderer Kündigungsschutz?
  3. Besonderer Kündigungsschutz: Was ist darunter zu verstehen?
  4. Gilt besonderer Kündigungsschutz auch für ältere Arbeitnehmer?
  5. Haben arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz?
Besonderer Kündigungsschutz

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Antje Pfingsten erklärt in diesem Beitrag alles Wissenswerte rund um das Thema besonderer Kündigungsschutz.

Melden Sie sich bei uns unter 02104/833759-0 oder per E-Mail an pfingsten@fritz-fachanwaelte.de wenn Sie gegen eine Kündigung vorgehen wollen.

1. Welche Arten von Kündigungsschutz gibt es?

Im deutschen Arbeitsrecht lassen sich der allgemeine Kündigungsschutz und der besondere Kündigungsschutz unterscheiden. Der allgemeine Kündigungsschutz gilt für alle Arbeitnehmer, die in einem Betrieb mit mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern arbeiten und dort länger als 6 Monate beschäftigt sind.

Nach dem allgemeinen Kündigungsschutz darf der Arbeitgeber nur dann eine Kündigung aussprechen, wenn einer von drei Kündigungsgründen – betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt – vorliegt und damit eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist.

Für bestimmte Personengruppen gilt darüber hinaus ein besonderer Kündigungsschutz. Dieser wird auch ohne das Vorliegen bestimmter Betriebsgrößen gewährt. Falls der allgemeine Kündigungsschutz in einem Betrieb gilt, gilt der besondere Kündigungsschutz zusätzlich für bestimmte Personengruppen.

2. Für welche Arbeitnehmer besteht besonderer Kündigungsschutz?

Der besondere Kündigungsschutz gilt für bestimmte Personengruppen und ist nicht einheitlich geregelt. Regelungen zum besonderen Kündigungsschutz finden sich daher in verschiedenen Gesetzen.

Ein besonderer Kündigungsschutz besteht für folgende Personengruppen:

  • Schwangere und Mütter (bis 4 Monate nach der Geburt)
  • Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen und nehmen wollen
  • Betriebsräte, Personalräte, Jugendauszubildendenvertreter, Schwerbehindertenvertreter, Wahlbewerber und Wahlvorstände für den Betriebsrat, Initiatoren für die Gründung eines Betriebsrates
  • schwerbehinderte Arbeitnehmer sowie Schwerbehinderten Gleichgestellte
  • Arbeitnehmer, die Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen und nehmen wollen
  • Datenschutzbeauftragte sowie weitere Betriebsbeauftragte
  • Auszubildende, freiwillig Wehrdienstleistende und Bundesfreiwilligendienstleistende
  • Mitglieder des Bundestages, Landtages oder des Europaparlaments (Art. 48 Grundgesetz, § 2 Abgeordnetengesetz, für Mitglieder des Landtages NRW: § 2 Abs. 3 Abgeordnetengesetz NRW)
  • z.T. Vertreter in Gemeinde-/Stadträten, Kreistagen – nach landesrechtlichen Vorschriften (für NRW z.B. § 44 Abs. 1 Gemeindeordnung NRW sowie § 29 Abs. 1 Kreisordnung NRW)

3. Besonderer Kündigungsschutz: Was ist darunter zu verstehen?

Der besondere Kündigungsschutz gilt für unterschiedliche Personengruppen und ist nicht einheitlich geregelt. Aufgrund der uneinheitlichen Regelung existiert der besondere Kündigungsschutz in verschiedenen Varianten und verschieden abgestuften Formen des Schutzes vor einer Kündigung. Zumeist geht es bei dem besonderen Kündigungsschutz darum, das besonders sozial schutzbedürftige Personengruppen stärker vor einer Kündigung und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bewahrt werden.

Der besondere Kündigungsschutz hat jedoch meist keine Unkündbarkeit zur Folge. Unter strengen Voraussetzungen und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes können auch Personengruppen, die besonders geschützt sind, gekündigt werden. Zum Teil führt der besondere Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen dazu, dass eine Kündigung nur dann möglich ist, wenn eine behördliche Genehmigung vorliegt.

Schwerbehinderung Kündigungsschutz

Vor der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber das Inklusionsamt um die Zustimmung zu der Kündigung ersuchen. In NRW sind hierfür die Inklusionsämter des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe oder Rheinland zuständig.

Ohne eine Zustimmung des Inklusionsamtes oder wenn das Inklusionsamt die Kündigung ablehnt, dürfen schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht gekündigt werden; eine solche Kündigung wäre rechtswidrig. Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer ist in § 168 SGB IX geregelt.

Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt dann, wenn der Arbeitnehmer einen Grad der Behinderung (GdB) von mehr als 50 hat oder durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gleichgestellt ist. Für die Gleichstellung muss der behinderte Arbeitnehmer mindestens einen GdB von 30 haben.

Der besondere Kündigungsschutz gilt erst dann, wenn der Arbeitnehmer mindestens 6 Monate in einem Unternehmen beschäftigt ist – § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX. Der Arbeitgeber muss zum Zeitpunkt der Kündigung nicht unbedingt von der Schwerbehinderung oder Gleichstellung wissen. Dennoch kann der Sonderkündigungsschutz bestehen, muss dann aber dem Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden.

Kündigungsschutz Schwangerschaft

Schwangere Arbeitnehmerinnen und junge Mütter genießen während der Schwangerschaft und bis zu 4 Monate nach der Entbindung oder einer Fehlgeburt besonderen Kündigungsschutz und sind vor einer Kündigung geschützt. Will der Arbeitgeber in dieser Zeit trotzdem kündigen, muss er hierfür die Zustimmung der obersten Landesbehörde für Arbeitsschutz einholen. In NRW sind dies die örtlich zuständigen Bezirksregierungen. Ohne eine Zustimmung der Bezirksregierung ist die Kündigung rechtswidrig. Der besondere Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen ist in § 9 Mutterschutzgesetz geregelt.

Der besondere Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen und junge Mütter gilt unabhängig der Beschäftigungszeit in einem Unternehmen und ist somit ab dem ersten Tag der Beschäftigung wirksam. Der Arbeitgeber muss nicht unbedingt von der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin wissen.

Für den Sonderkündigungsschutz reicht es aus, wenn die Arbeitnehmerin bei Ausspruch der Kündigung bereits schwanger war und dies dem Arbeitgeber binnen zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung mitteilt. Vermutet der Arbeitgeber lediglich eine Schwangerschaft, kann er der Arbeitnehmerin trotzdem kündigen, da die Frage nach einer Schwangerschaft oder andere Aufklärungsbemühungen in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin auf unzulässige Weise eingreifen würden.

Betriebsrat Kündigungsschutz

Betriebsräte, Personalräte, Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie der Schwerbehindertenvertretung (§ 15 KSchG, § 179 SGB IX, Personalräte in NRW: § 43 Personalvertretungsgesetz NRW) genießen besonderen Kündigungsschutz. Aber auch diese Personengruppe ist nicht unkündbar, jedoch vor einer ordentlichen Kündigung geschützt. Zum einen können Betriebsräte etc. dann gekündigt werden, wenn der Betriebsteil oder die Abteilung des Mitglieds geschlossen wird.

Zum anderen kann ein Betriebsratsmitglied außerordentlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung zugestimmt hat. Die Zustimmung des Betriebsrates kann durch Beschluss des Arbeitsgerichts ersetzt werden.

Auch nach der Amtszeit eines Betriebsrates gibt es einen nachwirkenden Schutz von einem Jahr. In dieser Zeit sind ordentliche Kündigungen ausgeschlossen. Außerordentliche Kündigungen sind nun auch ohne Zustimmung des Betriebsrats möglich, jedoch muss der Betriebsrat angehört werden. Nachgerückte Ersatzmitglieder genießen ebenso den gleichen besonderen Kündigungsschutz wie Betriebsratsmitglieder.

Die Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gründen wollen sowie die zu einer Betriebs-/Wahlversammlung einladen, sowie der Wahlvorstand und die Wahlbewerber genießen ebenso einen zeitlich unterschiedlich langen besonderen Kündigungsschutz (§ 15 Abs. 3, 3a und 3b KSchG).

Kündigungsschutz Leitender Angestellter

Sie fragen sich, ob besonderer Kündigungsschutz auch für leitende Angestellte und Geschäftsführer besteht? Lesen Sie hier unseren Beitrag zum Thema.

Kündigungsschutz Elternzeit

Arbeitnehmer, die ihre Elternzeit nutzen, genießen vor und während ihrer Elternzeit einen besonderen Kündigungsschutz. Der besondere Kündigungsschutz für Arbeitnehmer in Elternzeit ist gesetzlich in § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG - geregelt.

Die Elternzeit muss bei einem unter 3-jährigen Kind spätestens 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit von dem Arbeitgeber verlangt werden. Bei einem über 3-jährigen Kind muss die Elternzeit spätestens 13 Wochen vor dem Beginn der Elternzeit verlangt werden.

Der besondere Kündigungsschutz beginnt bei einem unter 3-jährigen Kind frühestens 8 Wochen, bei einem über 3-jährigen Kind frühestens 14 Wochen vor Beginn der Elternzeit und gilt bis zum Ende der Elternzeit. Somit ist der Arbeitnehmer auch bei der Beantragung der Elternzeit, wenn diese kurz vor dem Fristablauf der Beantragung stattfindet, durch den besonderen Kündigungsschutz geschützt.

Ausnahmsweise kann eine Kündigung des in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers zulässig sein, wenn diese in besonderen Fällen von der obersten Landesbehörde für den Arbeitsschutz beantragt und bewilligt worden ist. In NRW sind hierfür die Bezirksregierungen zuständig.

4. Gilt besonderer Kündigungsschutz auch für ältere Arbeitnehmer?

Es gibt keinen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, der gesetzlich geregelt ist. Tarifverträge können allerdings Kündigungen älterer Arbeitnehmer erschweren oder ab einem bestimmten Alter, etwa 53, 55 oder 58 Jahren, ausschließen. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dürfen bspw. ab einem Alter von 55 Jahren und einer Dienstzeit von mehr als 20 Jahren nicht wegen Leistungsminderung gekündigt werden.

5. Haben arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz?

Ist man arbeitsunfähig erkrankt und von einem Arzt krankgeschrieben, kann man ebenfalls gekündigt werden. Hier gelten lediglich die Regeln über den allgemeinen Kündigungsschutz, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Krankschreibung bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beugt der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht vor.

Etwas Anderes galt allerdings in der DDR. In § 58 Ziff. d) des Arbeitsgesetzbuches der DDR war es dem Arbeitgeber verwehrt, eine Kündigung auszusprechen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war. Dies gilt allerdings in der BRD nicht mehr. Der Arbeitgeber kann eine krankheitsbedingte Kündigung, als Unterfall der personenbedingten Kündigung, während der Arbeitsunfähigkeit aussprechen.

Dieser Kündigungsgrund ist dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer hohe Fehlzeiten aufweist und die Gesundheitsprognose keine Besserung der Situation zulässt. Außerdem müssen in einer Interessenabwägung die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher wiegen als die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterführung.

Bildquellennachweis: © PantherMedia | AndrewLozovyi

Antje Pfingsten
Fachanwältin für Arbeitsrecht mit über 15 Jahren Berufserfahrung. Fachanwältin für Familienrecht seit 2009. Zertifizierte Mediatorin
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